Am 12. Januar 2023 machten wir uns mittels Bus auf den Weg in das von Stade etwa 37 km entfernte Sandbostel – drei Klassen des Beruflichen Gymnasiums für Wirtschaft, der komplette 11. Jahrgang. Unser Ziel: das ehemalige Kriegsgefangenlager aus der Zeit des Nazi-Regimes. Ein Ausflug mit geschichtlichem Hintergrund, das war allen klar. Viele waren der Meinung, schon genau zu wissen, was sie dort erwarten würde…
Oft wurde der Zweite Weltkrieg schon in den Schuljahren davor thematisiert, in ausführlichen Gruppenarbeiten behandelt und begleitet von Dokumentarfilmen, die im Klassenverband geschaut wurden. Man ist gut informiert, weiß Bescheid über den Krieg und den Holocaust, die Gräueltaten der Nazis, die Konzentrationslager. Man kennt die Bilder der Konzentrationslager aus dem Unterricht, die kleinen Holzbarracken, gefüllt mit Hochbetten und hunderten von Menschen. Die nicht nur schlechten, sondern schrecklichen Lebensumstände, die dort herrschten. Unsere Geschichte ist uns bewusst. Ihr an einem Ort gegenüberzustehen, wo sie passiert ist, war aber etwas ganz Anderes.
Wir kamen in Sandbostel an und befanden uns zuerst gar nicht auf dem Gelände der Gedenkstätte, sondern auf einem Friedhof. Ein Friedhof für die im Kriegsgefangenlager verstorbenen Gefangenen. Ein Friedhof für mehrere tausende Menschen, was man sich bei den leeren Grasflächen und gepflegten Beeten aber irgendwie kaum vorstellen konnte. Unser Guide erklärte uns, dass das nicht immer so war und dass es bis in die 80er dort Steine mit den Namen der bekannten Verstorbenen gab, um an sie zu erinnern, doch sie wurden entfernt. Warum? Zu umständlich sie zu pflegen. Die Erinnerung an Menschen, an einzelne Individuen musste der Bequemlichkeit der Deutschen weichen. Während der Zeit unseres Besuches hat es geregnet, es war trüb und grau, draußen, wie auch ein bisschen in uns selbst. Nichts davon war unsere Schuld, aber mit diesem Teil unserer Vergangenheit konfrontiert zu werden, war nicht angenehm und löste vielleicht sogar so etwas wie Scham in uns aus.
Nach dem Besuch des Friedhofs machten wir uns auf dem Weg zur Gedenkstätte, dem ehemaligen Gelände des Gefangenenlagers. Dort angekommen hatten wir kurz Zeit durch die Ausstellung zu stöbern, bevor wir dann in Gruppen über das Gelände geführt wurden. Wir haben uns die damalige Küche und Essensausgabe angeschaut und konnten eine der Barracken von innen anschauen. Von außen sehen sie genauso aus, wie man sie sich vorstellt und von Fotos kennt. Doch von innen wirkten sie anders, fast schon häuslich fanden wir. Uns wurde dann vom Guide erklärt, dass das Gefangenenlager in der Nachkriegszeit zu verschiedenen Zwecken verwendet wurde.
So wurden in den Barracken neue Wände eingezogen und hier und da etwas angebaut, um es als Auffanglager für Flüchtlinge aus der DDR zu nutzen. Doch trotz dieser sichtlichen Veränderungen, die es einem etwas schwer machten, sich das dort Geschehene wirklich vorzustellen, schaffte unser Guide es, uns unsere Geschichte in den Kopf zu rufen. Sie erzählte uns von den schlechten Zuständen und Lebensumständen in den Barracken, den Krankheiten, die sich ausbreiteten, weil es kaum medizinische Versorgung gab, der bitteren Kälte im Winter und wie Gefangene ihre eigenen Betten verbrannten, um sich wenigstens für einen kurzen Moment etwas wärmen zu können.
Unser Guide führte uns später während der Tour plötzlich vom Gelände runter in Richtung eines Feldwegs, auf dem wir schlussendlich stehen blieben. Wir schauten auf zwei große Felder, die an einem Stück Wald endeten. Auf diesen Feldern befand sich ein Gefangenlager, welches in den letzten zwei Wochen des Krieges genutzt wurde, um dort die Häftlinge aus dem KZ-Lager Neuengamme unterzubringen. Nach der Befreiung hatten die englischen Truppen es niedergebrannt, wegen des Ungeziefers, das sich dort rumtrieb und aus Angst, sich mit dem sich dort verbreiteten Typhus anzustecken. In den letzten Wochen des Krieges und auch in der Zeit nach der Befreiung starben viele der Häftlinge noch an den Folgen der schlechten Versorgung, an Hunger, an Typhus oder an anderen Krankheiten.
Wir beschäftigten uns auch mit der Frage der Schuld. Damit wer die Verantwortung trug für all das, was in den Lagern passierte. Die Antwort ist klar, das Nazi-Regime, doch wenn es dann auf einzelne Akteure bezogen wird, ist es schwierig, dessen Schuld zu definieren. Viele waren unwissend, wussten nichts von dem, was in den Lagern wirklich passierte, aber viele schauten auch einfach weg, verleugneten es. In allen Fällen haben wir nicht richtig gehandelt und hätten es als Nation niemals soweit kommen lassen sollen. Daher ist es unsere Pflicht, als nachfolgende Generation, nicht nur über unsere Geschichte Bescheid zu wissen, sondern auch daraus zu lernen. Es ist unser Verantwortung, so etwas nie wieder passieren zu lassen, nicht hier und auch in sonst keinem Teil der Welt.
Nele, Jill & Britta (BG2B)
Weitere Statements aus dem Jahrgang 11 zur Exkursion nach Sandbostel
Für uns war es ein interessanter Ausflug, es war gut sich in die frühere Zeit hineinzuversetzen und über die Informationen nachzudenken, denn man sollte nicht vergessen was passiert ist.
Veda & Carlotta (BG2A)
Das Erlebnis war sehr bereichernd. Wir konnten mehr über unsere Region mit dem Zusammenhang zur NS-Zeit in Erfahrung bringen. Es ist wichtig, dass wir diese Dinge nie aus den Augen verlieren und aus der Geschichte lernen. Sandbostel hat uns die Augen geöffnet, wie viele ihr Leben verloren haben aber nicht mal eine Identität hatten.
Roomina, Sharayer & Larissa (BG2A)
Unsere Erwartungen waren relativ niedrig, da einige von uns schon einmal in einem KZ-Lager bzw. Arbeitslager zu Besuch waren und berichtet haben, sowohl von der örtlichen Umgebung als auch von den wissenswerten Aspekten. Was uns am meisten interessierte war der Alltag der verschiedenen Insassen. Das Personal, welches die Führung geleitet hat, war sehr aufgeschlossen, hilfsbereit und ging auf unsere Fragen ein. Wir durften uns mit dem Gelände insbesondere mit den Baracken als auch der Geschichte des Arbeitslagers vertraut machen. Wir waren doch sehr überrascht von den Zuständen, welche damals im Lager herrschten, erst durch Kopien von Originalaufnahmen, welche von Gefangen unter strengster Aufsicht geschossen wurden, wurde uns die Grausamkeit dieser Generation bewusst. Am Ende durften wir einen Beitrag zur Arbeitsstätte machen, indem wir einen Gedenkstein skizzieren, um an vergessen und verstorbene Menschen zu denken.
Alexander, Emma & Simone (BG2A)
Sandbostel war ganz gut, weil man einen Einblick in die Vergangenheit bekommen hat.
Michael & Luca (BG2C)
Es war ein sehr eindrucksvoller Tag, der einen viel näheren Eindruck ermöglichte als nur theoretischer Unterricht.
Celine, Katharina & Mia (BG2C)